Immer noch sehr lebendig: Die analoge Compact Cassette

Die Compact-Cassette wurde in den frühen 1960er-Jahren erfunden. Genau genommen war sie das Herzstück der ersten für alle leistbaren und
transportablen Aufnahme- und Wiedergabetechnik. Pur analog, versteht sich.

Hier machen wir einen kleinen Streifzug durch die 1970er bis in die 1990er-Jahre, die Epoche also, in der die Compact Cassette und die dazu gehörenden Aufnahme- und Wiedergabegeräte allgegenwärtig und in praktisch jedem Haushalt zu finden waren. Überraschenderweise sind Cassetten-Geräte nach wie vor weit verbreitet und auch hier gibt es ein Revival. Vielleicht nicht so sehr wie bei der Vinyl-LP, aber es gibt für viele Menschen gute Gründe, auch an dieser „Uralt-Technologie“ festzuhalten.

VintageAudioas-is BASF Compact Cassette
Typische Compact Cassette der 1970er-Jahre. 60, 90 und 120 Minuten Spieldauer waren am weitesten verbreitet.

Was spricht für die Cassette?

Compact Cassetten sind ein analoges Medium. Man kann damit ganz einfach aufnehmen, kopieren und hören – ohne irgendwelche Zugangscodes, Passwörter, limitierte Abonnements oder Ähnliches. Und: Man muss keiner App, keinem Dienst oder keiner Community irgendwelche persönliche Daten preisgeben.

Die Handhabung der Compact Cassette ist denkbar einfach: Rein ins Gerät, einschalten, Start drücken – schon spielt die Musik. Bei der Aufnahme ist es meist ein Knopf mehr, der zu drücken ist. Bei Vintage-Geräten sind die Tasten riesig (im Vergleich zu den miniaturisierten Digital-Gadgets) und logisch zu bedienen. Man muss keine Computerprogramme lernen, im Normalfall nicht einmal die Bedienungsanleitung lesen.

Im Internet sind zu Vintage-Geräten praktisch alle Daten und Informationen verfügbar.

Compact-Cassetten mit ihrer Länge von meist 60–120 Minuten (beide Seiten summiert) enthalten eine überschaubare Portion Musik, die man selbst und aus gutem Grund genau so zusammengestellt hat.
Damit ähnelt sie der Vinyl-Schallplatte: Da ist auch eine bestimmte Menge Musik drauf, die (oft) durchchoreographiert ist, einen Stil und eine Charakteristik bzw. eine unverkennbare Zeittypik hat.

Cassetten gehören zum kulturellen Erbe von mindestens zwei Generationen. Wer erinnert sich nicht gerne an „Tapes“, die man zusammengestellt hat, um irgendwen zu beeindrucken, ihr/ihm eine Botschaft zu senden oder einfach nur eine Freude zu machen?
Wem das nichts sagt: Im Roman „High Fidelity“ von Nick Hornby kann man’s nachlesen, im gleichnamigen Film von 2000 mit John Cusack und Iben Hjelje kann man’s „nach-schauen“.

Cassetten sind „Zeitmaschinen“. Jahrzehntelang wurde die Cassette dazu verwendet, Radiosendungen, Live Darbietungen oder auch nur einzelne Musikstücke aufzunehmen. Das Wesentliche daran: Aufnahmen auf einer Cassette liegen (wegen der begrenzten Aufnahmezeit) zeitlich meist nahe beisammen und sind damit akustische Dokumente eng definierter Zeiträume. Das Problem ist, dass man oft darauf vergessen hat, das Datum anzuschreiben. Dann ist die Zuordnung schwieriger, wenn auch nicht unmöglich.

Spricht etwas gegen die Cassette?

Die Qualität ist nicht ausreichend.

Einspruch: Schon in den frühen 1970er-Jahren konnte man Cassetten in einer Qualität aufnehmen, die sogar professionelle Ansprüche erfüllte. Natürlich sind Kassettendecks feinmechanische „Maschinen“, die einer natürlichen Abnützung unterliegen. Ohne regelmäßiges Service klingen sie schlecht oder gehen kaputt. (Anmerkung: Viele Geräte funktionieren auch noch nach mehr als 40 (!) Jahren perfekt.)

Die Bänder halten nicht lange.

Einspruch: Ich habe Aufnahmen aus den späten 1970-er Jahren, die nach wie vor alle Informationen enthalten und toll klingen. Natürlich halten Tonbänder nicht ewig – insbesondere dann, wenn man sie in der Sommerhitze auf der Hutablage des Autos vergessen hat.

Die Geräte von damals sind einfach kaputt.

Stimmt oft. Aber man kann viele Geräte reparieren und wieder zu Höchstleistungen anstiften. Insofern sind Vintage Cassetten-Decks äußerst nachhaltige, klimaschonende Geräte. Und schön sind sie auch. Kassettendecks werden übrigens nach wie vor neu gebaut.

Compact Cassetten werden nicht mehr produziert.

Stimmt nicht. Allerdings ist das Angebot bescheidener geworden und Fans reißen sich um bestimmte Vintage Cassettentypen. Andererseits: Die Technologie hat sich weiterentwickelt, manche moderne Cassetten-Typen klingen frappierend gut und rauschen kaum bis gar nicht.

Das Medium Cassette ist teuer.

Jein. Das ist so wie mit dem analogen (Foto-)Film: Man überlegt sich schon vorher sehr genau, was man aufnimmt. Wenn der Speicher endlos ist und nichts kostet, nimmt man einfach alles auf.

Cassetten brauchen Platz.

Das stimmt. 1.000 Cassetten mit 1.500 Stunden Musik füllen eine Wand. Eine winzige Festplatte mit ein paar Terabyte ist der Compact Cassette platztechnisch haushoch überlegen.

Die Compact Cassette macht die Musik tragbar

Natürlich gab es schon zu Beginn der Schellack-Ära – also Anfang des 20. Jahrhunderts – tragbare Trichtergrammophone, aber die mussten irgendwo sicher aufgestellt werden, um zu funktionieren. Die Compact Cassette machte es aber möglich, selbst in Bewegung ansprechend gut Musik zu hören und auch aufzunehmen.

In den Anfangsjahren war die Tonqualität (aus heutiger Sicht) noch eher bescheiden, aber die Menschen waren begeistert. Man setzte die Cassettenrecorder ja hauptsächlich als tragbare „Sound-Machines“ ein. Später wurde dann sogar professionelle Qualität erreicht. Und jedes Auto bekam ein Kassetten-Radio.

Transportables für Party und Profi

National Panasonic RQ-309S. Typischer Portable von 1974
Blaupunkt Bongo CR. Deutschland 1970-71. Radio-Kassettenrecorder im typischen 70er-Look.
SONY CF-550A. Tragbares Stereo-Cassettenradio von 1972 - 1976, guter Klang, erstaunlich laut, für Netz- und Batteriebetrieb.
Uher CR-240. Hochwertiger transportabler Cassettenrecorder aus deutscher Produktion von etwa 1979.
Nakamichi 550 Dual Tracer. Gebaut von 1974–1980.  Professioneller transportabler Cassettenrecorder.
SONY Walkman Professional. Höhepunkt und Ende der Walkman-Ära. Wurde gerne von Rundfunk-Reportern eingesetzt, weil tolle Qualität bei geringstem Gewicht.

Tonband-Qualität auf Cassette

Nakamichi 700 Tri-Tracer. Diese 3-Kopf-Kassettendeck von 1973 übertraf in der Klangqualität die meisten der damals verbreiteten Tonbandgeräte („Reel-to-reel“) und leitete deren Verschwinden ein. Naja, nicht ganz, denn auch da gibt es ein Revival.

Zweikopf-Geräte

Bei diesen Geräten war einzelner Kopf für Aufnahme und Wiedergabe
zuständig. Das limitierte den Frequenzgang. Aber klanglich überraschen die besten damals gebauten Zweikopf-Geräte auch heute noch!

Marantz 5400. Das Marantz Top-Gerät von 1975.
Kenwood KX-920 Stereo Cassette Tape Deck. Gebaut 1977–1978. Tolle Ausstattung und super Klang. Peak und VU umschaltbar, Geschwindigkeits-Feineinstellung, analoger „Bewegungsmelder“.
Pioneer CT-F7171. Pioneer Spitzenmodell von 1974 Besonderheit: Die Technik eines Topladers in einen Frontlader eingebaut. Darum die seltsam schräge Cassetten-Lage.
SONY TCD-204. Typisches Sony-Design von 1976.

3-Kopf-Geräte

Bei diesen Geräten sind Aufnahme- und Wiedergabekopf getrennt.

Das verbessert den Frequenzgang, macht aber die exakte Justierung der Köpfe unumgänglich.

Sony TCD 177 . Gebaut von 1973–1977. Es ist nicht sicher, ob dieses Sony oder das Nakamichi 700 das erste 3-Kopf-Kassettendeck am Markt war.
Pioneer CT-F950. Ein Spitzenmodell der „blauen Serie“ von 1979–1980.
Nakamichi 700ZXE Auto Tuning Cassette Deck. Gebaut von 1980–81. Zählt zu den besten Kassettendecks aller Zeiten. Neupreis 1980 ca. öS 70.000.-
Revox B710. Gebaut offenbar nur 1981, mit Direktantrieb von Capstan und Wickelmotoren. Eine Legende und – wenn hochpräzise eingestellt (Das wird eines Tages vielleicht eine eigene Geschichte) – zuverlässig und klanglich kaum zu übertreffen.
Eumig Metropolitan. Unkonventionelles Deck von 1978 mit revolutionärer Technik aus Österreich.
Eumig 1000 uP. Gebaut von 1978–1982, Serial Nr. 8204112. Ein Highlight österreichischer Ingenieurskunst, das Japans Techniker in Staunen versetzte. Computergesteuert, mit Scheiben-Antrieb (ähnlich Uher Report und SONY Walkman). War damals in vielen Tonstudios zu finden.